| In meiner 1978 abgeschlossenen, noch nicht aufgeführten Kammeroper "Weltende und
die Wacht am Rhein", die das Leben zweier Literaten in des 20. Jahrhunderts Beginn darstellt,
gibt es eine Szene, die die berühmt-berüchtigte D.-Ausstellung im Brauhaus W.
1920 in Köln zu rekonstruieren sucht. Die Ausgestaltung der Szene bleibt in der
Opernpartitur weitgehend dem Regisseur überlassen; es gibt da nur eine
Materialsammlung. Vielleicht auch das ein Grund, daß das Ganze bisher noch nicht
aufgeführt wurde, denn Regisseure ziehen es vor, ihre künstlerische Freiheit
durch Änderungen an festgelegten Konzeptionen zu beweisen.
Eingeladen, zum Musik-Theater-Wochenende in der Reihe "Musik der Zeit" etwas
beizusteuern, entschloß ich mich zur eigenen Ausarbeitung dieser Szene.
Losgelöst aus dem Zusammenhang der besagten Kammeroper und nicht mehr durch
Bühne und Orchestergraben distanziert, sondern im Ambiente der
wundergläubigen 50er Jahre, in einem innenarchitektonischen Wunder von 5 mal 26 m
Grundfläche, im oberen Foyer zum Großen Sendesaal des Kölner
Funkhauses, wird nun nicht mehr eine Ausstellung dargestellt, sondern was da passiert, i s t
eine Ausstellung.
Wer oder was wird ausgestellt? Meine Kollegen, die Musiker, werden ausgestellt. Ihre
Fertigkeiten, das Instrument zu beherrschen, aufeinander hören, reagieren und mit oder
ohne Noten agieren zu können. Schon wieder? Warum nicht umgekehrt? Das Publikum
wird ausgestellt. Bei den Proben wurde uns klar, spielen können wir auch ohne
Publikum. Auch wenn wir frei improvisieren, wissen wir so ziemlich, was herauskommt. Wir
glauben unsere Musik zu kennen. Aber kennen wir unser Publikum? Wer kommt? Was
erwartet man von uns? Was Bestimmtes? Die halbe Arbeit am musikalischen Kunstwerk
müsse vom Zuhörer geleistet werden, meinte seinerzeit schon Ferruccio Busoni,
womit er allerdings die Konsumentenrolle aufzuwerten beabsichtigte. Der besagten
D.-Ausstellung im Brauhaus W. ließe sich ein weitergehendes Motto voransetzen: Kunst
als Verhaltensform für jedermann. Eine Kölner Zeitung schrieb damals: "Mich
würde es nicht wundern, wenn ... das Publikum in gerechtem Zorne eines Tages eine
solche Ausstellung zusammenschlagen würde."
Obwohl alter Kölner und auch mit den Usancen der Konzertreihe "Musik der Zeit"
vertraut, bin ich mir sehr im Unklaren, und darin liegt das Experimentelle des "Stückes",
was man von einem - diesem Publikum im Jahre 1979 zu erwarten hat.
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