| Die legendäre Ausstellung DADA - VORFRÜHLING vom April 1920 bildete
den Höhepunkt von DADA-Köln. Die Umstände, die zu dieser Ausstellung
führten, wurden von Max Ernst selbst beschrieben: "Die 'Arbeitsgemeinschaft
Kölner Künstler' veranstaltet für ihre Mitglieder eine juryfreie Ausstellung
im Lichthof des Kunstgewerbemuseums am Hansaring. Entrüstung des soeben
eingetroffenen neuen Museumsdirektors vor den Montagen und Skulpturen von Baargeld und
Dadamax. Scharfe Auseinandersetzung mit der Arbeitsgemeinschaft, Sieg der
Museumsleitung: die unerwünschten Werke müssen noch schnell vor der
Eröffnung entfernt werden. Die beiden Ausgestoßenen mieten den teilweise dem
Regen ausgesetzten Lichthof des Brauhauses Winter in der Schildergasse (mit Zugang durch
einen für 'Herren' reservierten Raum)".
Aussteller waren laut Ausstellungskatalog neben Max Ernst und Theodor
Baargeld noch Hans Arp, Francis Picabia und ein nicht näher identifizierter
"Vulgärdilettant". Zur Ausstellungseröffnung rezitierte ein kleines
Mädchen im weißen Kommunionkleid Verse von Jakob van Hoddis. Die
Ausstellungsstücke waren weniger als Kunstwerke im herkömmlichen Sinne
gedacht, sondern eher als dadaistische Provokation, was auch an der Tatsache abzulesen ist,
daß von den etwa 170 ausgestellten Exponaten nicht eines erhalten geblieben ist. Ebenso
sollten auch die rätselhaften Titel der einzelnen Ausstellungsstücke verwirren.
Einige Beispiele:
Theodor Baargeld:
- antropofiler Bandwurm (relief)
- der sportsmann max ernst beim training am 100 m-Ständer
- vergebliche verleumdung und inthronisierung des dada baargeld
- dadaisten, leere gefäße und bärte spielen miteinander
Max Ernst:
- unerhörte drohung aus den lüften (plastik)
- knochenmühle der gewaltlosen friseure
- originallaufrelief aus der lunge eines 47 jährigen rauchers
- zwischen suppe und fisch
Vulgärdilettant:
- ein tiroler
- eine tirolerin
An einer Skulptur von Max Ernst hing ein Beil, um diese Skulptur in einer Art Vorform des
Happenings zu zerstören, in einer Ecke des Raumes lagen Zeichnungen und
Lithographien zum Mitnehmen bereit. Die laut Max Ernst "vom Publikum in
Wutausbrüchen zerstörten Werke werden regelmäßig durch neue
ersetzt".
Ein besonderer Skandal der Ausstellung war Baargelds 'fluidoskeptrik der Rotzwitha von
gandersheim', ein mit gefärbtem Wasser gefülltes Aquarium, aus dem eine
hölzerne Frauenhand herausragte. Auf dem Boden des Aquariums lag ein Wecker, auf
dem Wasser schwamm eine Frauenperücke. Nachdem ein nervenkranker Besucher in
der Ausstellung einen Tobsuchtsanfall bekommen hatte, wurde 'DADA -
VORFRÜHLING' durch eine Verfügung des Kölner Staatsanwaltes, einem
Onkel von Max Ernst, polizeilich geschlossen. Max Ernst wurde wegen Betrugs und
Pornographie angeklagt, zumal auch der Zugang zur Ausstellung durch die Herrentoilette
mehr als anrüchig war. Der Betrugsvorwurf wurde damit begründet, man
hätte für eine Kunstausstellung Eintritt verlangt, in der gar keine Kunst gezeigt
würde. Max Ernst konnte jedoch belegen, niemals von einer Kunst-, sondern stets von
einer DADA-Ausstellung gesprochen zu haben. Auch der Pornographievorwurf, der sich
darauf stützte, daß in einer Arbeit von Max Ernst ein nacktes Paar abgebildet war,
mußte zurückgenommen werden, nachdem sich herausstellte, daß es sich bei
dem Paar um den Kupferstich 'Adam und Eva' von Albrecht Dürer handelte, so
daß die Ausstellung schließlich wiedereröffnet werden konnte.
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